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30. Dezember 20254 Min.

Ein Leitfaden für Athleten zur Nierengesundheit

FitKolik

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Veröffentlicht am 30. Dezember 2025

In der Welt des Hochleistungssports und der Kraftathletik stellt das standardmäßige medizinische Blutbild oft ein verwirrendes – und manchmal alarmierendes – Bild dar. Für viele Bodybuilder und Powerlifter liefert eine Routineuntersuchung ein "auffälliges" Ergebnis für Kreatinin, einen primären Marker zur Beurteilung der Nierengesundheit. Während bei einer sitzenden Person mit diesen Werten eine chronische Nierenerkrankung (CKD) im Stadium 2 oder 3 diagnostiziert werden könnte, ist die Realität für den Spitzensportler oft viel komplexer.

Diese diagnostische Lücke ist als "Kreatinin-Paradoxon" bekannt. Sie verdeutlicht eine wesentliche Einschränkung der modernen Sportmedizin: das Vertrauen auf Referenzbereiche, die von allgemeinen, oft sitzenden Bevölkerungsgruppen abgeleitet werden, um Personen mit extremen physiologischen Profilen zu beurteilen.


Die Biochemie des Markers

Um zu verstehen, warum Sportler häufig falsch-positive Ergebnisse für Nierenfunktionsstörungen auslösen, muss man sich die Quelle des Markers selbst ansehen. Kreatinin ist ein metabolisches Nebenprodukt von Kreatinphosphat, einer Verbindung, die für die schnelle Energieproduktion in der Skelettmuskulatur entscheidend ist.

Jeden Tag werden etwa 1% bis 2% des gesamten Kreatinspeichers des Körpers nicht-enzymatisch in Kreatinin umgewandelt und in den Blutkreislauf freigesetzt. Da diese Umwandlung relativ konstant erfolgt, dient sie als zuverlässiger Proxy für die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) – die Geschwindigkeit, mit der die Nieren Abfallstoffe filtern.

Das produzierte Kreatininvolumen ist jedoch direkt proportional zur gesamten Skelettmuskelmasse. Ein 110 kg schwerer Kraftsportler besitzt eine deutlich größere "Stoffwechselfabrik" als ein 70 kg schwerer, sitzender Büroangestellter. Folglich liegt das basale Blutkreatinin des Sportlers naturgemäß am oberen Grenzwert des "normalen" Bereichs (typischerweise 0,7 bis 1,3 mg/dL) oder überschreitet diesen sogar (erreicht 1,5 bis 1,8 mg/dL), ohne dass die Nierenfunktion tatsächlich beeinträchtigt ist.


Die Auswirkungen von Leistungssteigerungen

Wenn leistungssteigernde Substanzen (PEDs), insbesondere anabol-androgene Steroide (AAS), ins Spiel kommen, wird das diagnostische Bild noch verzerrter. Steroide fördern die schnelle Muskelhypertrophie, was den basalen Kreatininspiegel weiter erhöht.

Darüber hinaus ernähren sich viele Sportler, die diese Substanzen verwenden, proteinreich und nehmen Kreatinmonohydrat-Ergänzungen ein.

  • Hohe Proteinzufuhr: Erhöht die "renale funktionelle Reserve" und kann eine vorübergehende Hyperfiltration verursachen.

  • Kreatin-Supplementierung: Erhöht direkt den Substratpool, was zu einem Kreatininanstieg führt, der keine Korrelation mit Organschäden aufweist.

Die "tiefe" Besorgnis der Kliniker ist jedoch, dass Steroide tatsächlich nephrotoxisch sein können. Chronischer Gebrauch wurde mit fokal-segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) in Verbindung gebracht – einem Zustand, bei dem die Filtereinheiten der Niere vernarben – und maligner Hypertonie. Die Herausforderung für Sportmediziner besteht darin, zwischen "hohem Kreatinin durch Muskeln" und "hohem Kreatinin durch Schäden" zu unterscheiden.


Das Versagen von Standard-eGFR-Gleichungen

Die meisten Labore messen die GFR nicht direkt; sie schätzen sie (eGFR) mithilfe von Formeln wie CKD-EPI oder MDRD. Diese Gleichungen enthalten Variablen für Alter und Geschlecht, berücksichtigen aber selten die Körperzusammensetzung. Bei einer stark bemuskelten Person unterschätzen diese Formeln fast immer die Nierenfunktion, was potenziell zu unnötigen medizinischen Eingriffen oder psychischem Stress für den Sportler führen kann.

Hin zum Goldstandard: Cystatin C

Um die "Muskelmasse-Verzerrung" zu umgehen, geht die moderne Sportmedizin dazu über, Cystatin C zu verwenden. Im Gegensatz zu Kreatinin ist Cystatin C ein Protein, das von allen kernhaltigen Zellen im Körper mit konstanter Geschwindigkeit produziert wird.

Merkmal Kreatinin Cystatin C
Quelle Muskelkatabolismus Alle kernhaltigen Zellen
Beeinflusst durch Ernährung? Ja (Hoher Protein-/Kreatingehalt) Nein
Beeinflusst durch Muskeln? Ja (Direkt proportional) Minimal bis gar nicht
Sensitivität Gering in frühen Schadensstadien Hoch; erkennt frühen GFR-Rückgang

Für jeden Sportler mit signifikanter Muskelmasse liefert eine Cystatin C-basierte eGFR einen "sauberen" Blick auf die Nierengesundheit, frei von den Störfaktoren ihres Trainings und ihrer Statur. Wenn das Kreatinin hoch ist, das Cystatin C aber im Normbereich liegt, kann der Sportler mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass seine Nieren die Stoffwechselbelastung effektiv bewältigen.


Schlussfolgerung und Empfehlungen

Der Standard-Kreatinin-Test ist ein stumpfes Instrument in einer Welt des Präzisionssports. Für diejenigen, die die Grenzen der menschlichen Physiologie verschieben, muss die Gesundheitsüberwachung ebenso ausgefeilt sein.

  1. Eine Baseline erstellen: Sportler sollten während einer "Cruise"- oder Deload-Phase Blutuntersuchungen durchführen lassen, um ihre Ruhewerte zu ermitteln.

  2. Cystatin C anfordern: Wenn ein Kreatininwert dauerhaft hoch ist, verwenden Sie Cystatin C, um zu bestätigen, ob es sich um ein Produkt des Muskelvolumens oder ein Zeichen für echte Belastung handelt.

  3. Blutdruck überwachen: Nierenschäden bei Sportlern sind oft eine sekundäre Folge von hohem Blutdruck. Eine Aufrechterhaltung eines Wertes nahe 120/80 mmHg ist für die langfristige Nierengesundheit wohl wichtiger als jeder einzelne Blutmarker.