Das Konzept, Lebensmittel, Kräuter und körperliche Zustände als "Heiß" (Yang/Garmi) und "Kalt" (Yin/Sardi) zu klassifizieren, ist alles andere als eine lokale Tradition. Es ist ein grundlegendes Prinzip der Medizin und Diätetik, das über Jahrtausende hinweg von verschiedenen Kulturen übernommen, angepasst und praktiziert wurde und eines der beständigsten traditionellen Gesundheitssysteme der Welt darstellt.
Die griechisch-persischen Wurzeln: Das humorale Fundament
Das in der traditionellen persischen Medizin (Unani oder Traditionelle Iranische Medizin) beschriebene System ist der direkteste Nachkomme des ursprünglichen westlichen Rahmens:
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Ursprung: Das Konzept entstand bei antiken griechischen Ärzten wie Hippokrates und Galen, die die Humoraltheorie entwickelten. Diese Theorie besagte, dass der Körper von vier lebenswichtigen Flüssigkeiten (Humores) beherrscht wurde – Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle –, die jeweils mit zwei der vier Eigenschaften verbunden sind: Heiß, Kalt, Feucht und Trocken.
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Persische Kodifizierung: Arabische und persische Gelehrte, insbesondere Avicenna (Ibn Sina), bewahrten und erweiterten dieses Wissen zum Unani-System. In dieser Tradition wird die Konstitution eines Individuums (Mizaj) durch das Gleichgewicht dieser Humores bestimmt, und Lebensmittel werden als Heiß und Trocken (Safra), Kalt und Feucht (Balgham) usw. klassifiziert, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Dieses Klassifizierungssystem verbreitete sich im gesamten Nahen Osten, in Südasien (wo Unani eine etablierte Praxis ist) und beeinflusste sogar die Volksmedizin in Teilen Südeuropas und Lateinamerikas.
Globale Verwandte: Unabhängige und angepasste Systeme
Während die Humoraltheorie ein strukturiertes Modell lieferte, entwickelten andere wichtige traditionelle Medizinsysteme parallele Konzepte:
1. Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Die TCM verwendet das Konzept von Yin und Yang, den komplementären Gegensätzen, die das Universum und die Energie des Körpers (Qi) beherrschen.
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Klassifizierung: Lebensmittel und Kräuter werden energetisch als Heiß (Yang), Kalt (Yin), Warm, Kühl oder Neutral klassifiziert.
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Ziel: Eine "heiße" Krankheit (z. B. Fieber, Entzündung) erfordert "kalte" (Yin) Lebensmittel, um zu kühlen und zu beruhigen, während eine "kalte" Krankheit (z. B. Schüttelfrost, Müdigkeit) "heiße" (Yang) Lebensmittel benötigt, um zu wärmen und zu stimulieren.
2. Ayurvedische Medizin
Die aus Indien stammende Ayurveda basiert auf dem Ausgleich der drei Lebensenergien des Körpers, oder Doshas (Vata, Pitta, Kapha).
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Klassifizierung: Lebensmittel werden nach ihrer intrinsischen Potenz (Virya) kategorisiert, die entweder Heiß (Ushna) oder Kalt (Sheeta) ist und verwendet wird, um den vorherrschenden Dosha in einer Person anzupassen. Pitta (Feuer/Wasser) wird mit Hitze assoziiert, während Kapha (Wasser/Erde) mit Kälte assoziiert wird.
3. Mesoamerikanische Volksmedizin
In verschiedenen indigenen und Mestizo-Gemeinschaften in Mexiko und Mittelamerika arbeitet eine populäre Form der Volksmedizin mit einer ähnlichen Heiß/Kalt-Dichotomie.
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Praxis: Lebensmittel und Krankheiten werden als caliente (heiß) oder frío (kalt) kategorisiert. Beschwerden werden mit Mitteln der entgegengesetzten Qualität behandelt, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, oft unabhängig von der physischen Temperatur der Substanz.
Die moderne Kritik: Jenseits der Temperatur
Trotz ihrer globalen Verbreitung steht die "Heiß und Kalt"-Theorie vor Herausforderungen durch die zeitgenössische Wissenschaft, wie im ursprünglichen persischen Text hervorgehoben:
Traditionelle Erklärung | Moderne wissenschaftliche Erklärung |
"Heiße" Lebensmittel verursachen Pickel und Entzündungen. | Pickel werden durch Insulinspitzen durch einfachen Zucker oder entzündungsfördernde Moleküle wie Omega-6 aus bestimmten Fetten verursacht. |
Eine negative Reaktion auf ein Lebensmittel ist auf seine "kalte" Natur zurückzuführen. | Spezifische Reaktionen wie Nesselsucht oder Verdauungsstörungen sind typischerweise auf eine Allergie oder Unverträglichkeit gegenüber einem bestimmten Protein oder einer bestimmten Verbindung zurückzuführen. |
Krankheiten resultieren aus einem Ungleichgewicht von Humores/Energien. | Es wird davon ausgegangen, dass Krankheiten aus spezifischen Ursachen resultieren, wie z. B. Pathogene, genetische Veranlagungen oder messbare Ungleichgewichte in Hormonen, Nährstoffen und Immunfunktionen. |
Während die traditionellen Klassifizierungen einen rationalen, wenn auch veralteten Rahmen für Ernährung und Gesundheit boten, als die Kenntnisse der Chemie und Biologie begrenzt waren, liefert die moderne Wissenschaft präzise, überprüfbare Erklärungen dafür, warum Lebensmittel den Körper beeinflussen. Das globale Fortbestehen des Heiß und Kalt-Systems ist heute ein Beweis für seine kulturelle Bedeutung, auch wenn Gesundheitspraktiken zunehmend evidenzbasierte Ernährungswissenschaft einbeziehen.